Einer der regelmäßig wiederkehrenden Kritikpunkte an MobyGames - und das erstaunlicherweise trotz all der anderen ernsthaften Schwächen des dortigen Datenmodells - ist die Bezeichnung der Spieleinträge. MobyGames ist und war natürlich auch immer schon ein US-Projekt, weswegen jedes Spiel nur mit dem Titel seiner US-Veröffentlichung als "Haupttitel" in die Datenbank aufgenommen wird. Falls es keine US-Veröffentlichung des Spieles gab, wird der Titel eines Releases in einem anderen englischsprachigen Land herangezogen. Sollte es auch eine solche Veröffentlichung nicht gegeben haben, wird schlussendlich der Originaltitel benutzt, wobei dann dessen Herkunft nicht mehr von Belang ist. Ist ein Haupttitel für das Spiel gefunden, wird jeder andere Name nur als "alternativ" in die Datenbank aufgenommen.

Es gibt ein großes Problem mit diesem Ansatz: Es könnte nämlich durchaus sein, dass der Rest der Welt sich ganz und gar nicht für den US-Veröffentlichungstitel eines Spieles interessiert. Man stelle sich beispielsweise einen japanischen MobyGames-Besucher vor, der irritiert feststellen muss, dass der vierte Teil der Final-Fantasy-Reihe dort als "Final Fantasy II" geführt wird, weil er schlicht das zweite FF-Spiel war, das in den USA veröffentlicht wurde. Bei näherem Nachdenken muss es doch einen besseren Weg der Spielbezeichnung geben, weshalb ich im folgenden Beitrag untersuchen möchte, wie andere Videospieldatenbanken dieses Problem angehen, um dann die geplante Oregami-Lösung vorzustellen. Zu Referenzzwecken werde ich immer Final Fantasy IV als Beispiel verlinken. Die deutsche OnlineGamesDatenBank verwendet als Hauptnamen beispielsweise immer den Titel der Erstveröffentlichung, wobei nichtlateinische Namen zunächst in die lateinische Schrift übertragen werden müssen, bevor sie in die Datenbank aufgenommen werden. Jeder andere Titel eines Spiels kann ebenfalls als alternativ mit einer entsprechenden Beschreibung gespeichert werden. Das älteste deutsche Projekt TheLegacy dagegen akzeptiert sämtliche ins Lateinische übertragene Titel eines Spiels, wobei im zweiten Schritt jedoch jede dieser Bezeichnungen in den verschiedenen Ansichten mehr oder weniger gleich behandelt wird. Das ist allerdings nur möglich, weil es bei TheLegacy keine Spielelisten gibt, zu deren Befüllung ein einziger Titel aus den vielen ausgewählt werden müsste. Stattdessen werden die Spiele dort über die Suchmaschine gefunden, und die Detailansicht eines Spiels zeigt den Titel als Hauptnamen an, den der Benutzer angeklickt hat.

So viel zu deutschen Projekten, werfen wir einen Blick auf einen weiteren älteren Mitbewerber mit italienischen Wurzeln - die Universal Videogame List. Dieses Projekt hat nicht ganz so viel Probleme mit der Nomenklatur, weil dort die oberste Ebene der Datenbank eher die Version als das Spiel ist. So hat beispielsweise jede Plattformversion ihren eigenen Spieleintrag, was natürlich die Bürde der Titelfindung erheblich erleichtert, da der Fall einer Spielveröffentlichung unter zwei verschiedenen Namen auf der gleichen Plattform eher selten ist. Final Fantasy IV ist solch ein Fall, und da dessen US-Version eine stark vereinfachte Variante des japanischen Originals ist, bekommt das Spiel zwei Einträge in der UVL, einen als "Final Fantasy IV" für das normalschwere japanische Original, und einen als "Final Fantasy II" für die "Easy Type"-US-Variante. Selbstverständlich besitzt jeder dieser Datenbankeinträge auch noch mehrere Alternativnamen.

Zu guter Letzt wollen wir noch einen Blick auf zwei weitere US-Datenbanken werfen, ob auch sie eventuell den Titel der US-Veröffentlichung eines Spiels als Hauptnamen verwenden. Die erste näher zu untersuchende Seite ist GiantBomb, ein neueres Projekt im Wiki-Stil mit einer lebhaften Community. Okay, Final Fantasy IV wird dort unter genau diesem Namen geführt, auch andere Spiele, die ich geprüft habe, sind unter dem Titel ihrer Originalveröffentlichung gelistet. Wir können also annehmen, dass GiantBomb den Originaltitel allgemein verwendet, obwohl ich dazu keine Aussage in einer dortigen offiziellen Dokumentation finden konnte. Ein schöner Aspekt der Spielbezeichnung bei GB ist weiterhin, dass jeder Veröffentlichung ein eigener Titel zugewiesen werden kann.

Das zweite US-Projekt, dass hier näher betrachtet werden soll, ist VideoGameGeek, ein Schwesterprojekt zur erfolgreichen Brettspieldatenbank BoardGameGeek mit einem relativ einzigartigen Textwüstenansatz, die Datenpräsentation betreffend. Aber die Datenkomplexität ist hoch, und ein schneller Blick auf die üblichen Verdächtigen lässt zunächst den gleichen Ansatz der Spielebezeichnung vermuten, den auch GiantBomb fährt: Originaltitel mit Alternativnamen und bezeichnungsfähigen Einzelveröffentlichungen. Erst ein tieferer Blick in die Hilfeseiten bei VGG enthüllt das wahre Konzept eines "primären" Titels der als "der Name, unter dem das Spiel am bekanntesten ist" definiert wird. Das klingt doch sehr subjektiv und sorgt sicher für einigen Diskussionsstoff.

Aber was ist nun das Ergebnis dieser Recherche? Die meisten Seiten benutzen den Originaltitel als "Haupttitel", sollte also Oregami das auch tun? Wir denken nicht. Der gesamte Ansatz eines "primären" Titels für ein Spiel ist in unseren Augen von Grund auf falsch, weil es so etwas wie einen allgemeinen Haupttitel eigentlich gar nicht gibt. Jeder Spieler benutzt meist den Titel, unter dem er das Spiel zuerst kennengelernt hat. Und dieser persönliche Haupttitel hängt hauptsächlich von der Region ab, in der der Spieler wohnt, aber z. B. auch von der Plattform, auf der das Spiel zuerst gespielt wurde. Dieser Einsicht folgend wollen wir bei Oregami ein anderes Bezeichnungsmodell einbauen.

Grundsätzlich wollen wir einem Spiel mehrere Titel zuordnen, diese Zuordnung aber mit verschiedenen weiteren Attributen wie Region, Sprache, Plattform usw. detaillierter gestalten. Mit diesen zusätzlichen Daten in der Datenbank werden wir dann in der Lage sein, jedem Benutzer den passenden Spielenamen anzuzeigen, basierend auf den Daten, die er über sich selbst preisgegeben hat. Hätten wir beispielsweise jemanden aus den USA auf unseren Seiten, könnten wir das MobyGames-Modell benutzen und den US-Veröffentlichungstitel jedes Spieles anzeigen. Selbstverständlich werden wir dann einen hierarchischen Rückgriff auf andere Titel implementieren, falls es den besagten US-Titel (noch) nicht in der Datenbank gibt. Um bei unserem Beispiel zu bleiben, könnte dann der Veröffentlichungstitel aus dem Vereinigten Königreich angezeigt werden, danach jeder andere englischsprachige Titel, als nächstes der Originaltitel, und so weiter und so fort. Schlussendlich sollten natürlich diese Rückgriffsoptionen durch unsere Benutzer konfigurierbar sein.

Der geneigte Leser wird sich sicher fragen, wie denn diese Theorie bei Final Fantasy IV in die Praxis umgesetzt aussähe. Nun, bei Oregami hätte FF IV nur einen Spieleeintrag, der aber mehrere Titel zugeordnet bekäme, was beispielsweise wie folgt aussehen könnte:

Titel (Sprache)
Titeltyp
Region(en)
Plattform(en)
Final Fantasy IV (Englisch)Erst-VÖJapanSuper Nintendo
Final Fantasy IV (Englisch)Wieder-VÖUSA / UK / JapanNintendo DS / PlayStation / PlayStation Portable
Final Fantasy IV (Englisch)Wieder-VÖJapanNintendo Wii / Wonderswan Color
Final Fantasy IV Easytype (Englisch)Wieder-VÖJapanSuper Nintendo
Final Fantasy II (Englisch)Erst-VÖUSASuper Nintendo
Final Fantasy II (Englisch)Wieder-VÖUSA / UKNintendo Wii
Final Fantasy IV Advance (Englisch)Wieder-VÖUSA / UK / JapanGameboy Advance
FF IV (Englisch)Abkürzung

Die Unterschiede zwischen der japanischen Originalversion und der US-"Easytype"-Version werden übrigens an anderer Stelle dokumentiert, dazu später mehr in einem Folgebeitrag.

Eine andere Facette unseres Ansatzes der Spielebezeichnung ist die Dokumentation, wo und wie die genannten Titel tatsächlich benutzt wurden. Jede Veröffentlichung eines Spieles kommt mit verschiedenen Plätzen daher, an denen ein Name gezeigt werden kann. Als Beispiele seien hier das Front-Cover der Box, der Titelbildschirm oder das Installationsprogramm genannt. Wir werden einen Weg implementieren, Spieletitel auch mit Veröffentlichungen zu verbinden und dabei ihre dortige Platzierung zu speichern. Natürlich soll diese zweite Art der Zuordnung erst erfolgen können, wenn die entsprechende Bezeichnung zuvor ordnungsgemäß mit dem Spieleintrag verbunden wurde.

Nachdem wir die Bezeichnungsmöglichkeiten für Spiele wie beschrieben umgesetzt haben, werden wir in der Lage sein, diese flexible Datenanzeige auch auf andere Aspekte der Datenbank auszuweiten, so zum Beispiel bei der Bezeichnung von Plattformen oder bei der Anzeige von Coverscans. All das wird später sehr dazu beitragen, den Oregami-Benutzern ein stark verbessertes Surferlebnis zu ermöglichen. Und das ist ein sehr erstrebenswertes Ziel, denke ich! (smile)